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10. Juni 2022

Meine lieben Kinder, lieber Maximilian, liebe Maria!

Heute genau vor einem Jahr haben wir euch beerdigt. Ich erinnere mich an diesen Tag, als wäre es gestern gewesen. Es regnete so stark, als ob der Himmel wirklich weinen würde. Doch kurz vor dem Zeitpunkt als wir uns alle beim Friedhof einfinden sollten hörte es plötzlich auf und es kamen von oben wundervolle Lichtstrahlen auf unserem Weg zu eurem Grab. Ich bin mir heute noch sicher, ihr habt uns da ein Zeichen geschickt. Ich erinnere mich an die Tage zuvor an denen ich endlich erfahren habe, dass ihr noch auf der Pathologie seid. An den Zeitpunkt an dem ich euch persönlich abgeholt habe. An die Fahrt mit euch im Auto. An den Moment als ich euer Grab aussuchte, gleich neben dem großen Baum am Kinderfriedhof. An die Begegnungen mit dem Eichhörnchen und der Amsel. Ich erinnere mich an so viel Wunderbares so traurig und schwer all diese Wege auch waren. Für uns war es wichtig, dass ihr euren Platz habt, außerhalb von unserem Herzen. Gemeinsam. Einen Platz an den wir hingehen können, wo wir es euch schön machen dürfen und wo vor allem Sophie und später auch Simon immer wieder Kleinigkeiten vorbei bringen können, die euch sicher Freude bereiten würden.

Was ich definitiv sagen kann ist, dass ich nie mehr so werden werde wie ich war oder wer ich sein wollte. Ich war damals als ich euch verloren hab die Version meiner selbst die ich definitiv am wenigsten erwartet habe. Durch euch durfte ich wachsen und an meinem Selbst arbeiten. Ich wurde um so vieles beraubt durch den Verlust von euch. Beraubt an Erfahrungen und Liebe, die für ein Leben gar nicht gereicht hätten. Ich musste mich diesem Schicksal stellen, ob ich es nun wollte oder nicht. Es gab da kein zurück, es wurde auch von mir erwartet, es „selbstverständlich“ auszuhalten egal ob ich daran zerbreche oder nicht. „Wie schaffst du das alles nur“ fragte mich einmal eine Freundin. Die Frage ist nicht wie, sondern ob! Und meine Antwort war stets so hart es auch war JA! Ich schaffte es wegen meiner Sophie, wegen meiner kleinen Familie und auch ein Stückchen für euch zwei Sterne. Wir sind verbunden, und all das ist der Grund, warum ich so bin wie ich nun bin. Ich werde auch niemals mehr werden, wer ich werden wollte. Und ganz ehrlich, ich weiß es schon gar nicht mehr wer das war. Ich will auch niemand anders mehr sein oder so sein wie andere es gerne hätten. Ich muss nicht passend sein, weder in eine Schublade noch in ein System. Ich habe einen Teil meines eigenen Lebens verloren, als ihr beide euer Leben verloren habt, als ihr zur Welt gestorben seid. Doch irgendwie habe ich wohl so eine innere Lebensversicherung. Und diese ist die unendliche Liebe zu euch.

Heute, ein Jahr nach eurer Beerdigung kann ich sagen, ich habe mich nie lebendiger und stärker gefühlt als jetzt. Ich habe einen Teil meines Lebens verloren, aber so viel Sinn für ein Neues gefunden. Für meine kleine Familie, für mein Herzensprojekt Wandelstern und für so viele Menschen da draußen, die ein ähnliches Schicksal erfahren haben und die ich nun ein Stück ihres Weges begleiten darf. Und ich bin gut, ich bin richtig. Es ist gut, es ist richtig. So wie es nun ist. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Wenn ich daran denke, wer ich einmal war oder wer ich einmal sein wollte, wie es einmal war oder wie es einmal sein sollte weiß ich schon gar nicht mehr, was ich daran vermissen oder gar bedauern sollte. Und wenn auch die Begrenzung unseres irdischen Beisammenseins manchmal so grausam ist, und kaum zu ertragen so stehen ihr doch so viele Erinnerungen zur Seite. Momente voll Lachen, voll Trauer, voll Liebe und Zusammenhalt in dieser damaligen schwersten Zeit in meinem Leben. Ich bin für immer verwundet, und es ist für mich heute ein Wunder, wie weit ich gekommen bin und ich bin dankbar, wie sehr ihr mich in meinem Herzen begleitet. Auch unser kleiner Simon, euer Bruder, er ist ein Wunder. Ihr seid ein Wunder. Meine wunden Punkte, aber auch meine Lichter. Mein Warum und mein Deshalb.


Ich bin dankbar, für die Bedingungslosigkeit die mir von meiner kleinen Familie, von meinen Freunden und von so vielen anderen besonderen Menschen entgegengekommen ist und die mir sehr geholfen hat.

· Bedingungsloses Zuhören, ohne Dazwischen zu reden

· Bedingungsloses Verstehen trotz nicht Verstehens

· Bedingungsloses Teilhaben, ohne zu verurteilen oder zu werten

· Bedingungsloses Zusammenstehen, ohne sich umzudrehen

· Bedingungsloses Zugestehen, ohne zu zweifeln

· Bedingungsloses Annehmen ohne Wegmachen wollen

· Bedingungsloses Sein


An dieser Stelle möchte ich auch noch mal von ganzem Herzen der Bestattung Kärnten mit Herrn Pansy danken für die liebevolle Bestattung von Maximilian und Maria. Danke auch an die Menschen, die es möglich gemacht haben, dass wir die beiden gefunden haben und bestatten durften. Und Danke an Pater Anton für die würdevolle Verabschiedung.

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