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Immer wieder Sonntags...

Vorgestern hatte ich wieder das Bedürfnis, unsere Sternchen am Friedhof zu besuchen. Es vergeht kein Tag an dem ich nicht daran denke, wie es wohl wäre wenn hier vier Kinder herumwuseln würden. Viel zu klein wäre es auf jeden Fall und laut sowie chaotisch aber trotz allem wäre es so wunderschön. Die letzte Woche war eine Woche die man nicht unbedingt braucht. Wir hatten sehr viel Stress, mein Mann startete mit einem neuen Job, es standen Ausbildungstage am Plan und wir hatten große Sorgen wegen Simon. Es war eigentlich geplant, dass ich gemeinsam mit Sophie, nachdem wir mein Auto auf Vordermann gebracht haben zum Friedhof fahren. Als ich aber voll in Gedanken den PKW abspritzte merkte ich gar nicht, dass meine Tochter auf einem klitschnass neben mir stand und mich verwundert anschaute. Selbst etwas erstaunt, sagte ich nur: „Toll, duschen für heute erledigt“. Gottseidank ist Sophie gleich sarkastisch wie ich und versteht Spaß. Also liefert ich sie zu Hause bei den Männern ab damit sie sich der nassen Klamotten entledigen konnte und ich fuhr alleine zum Friedhof. Als ich Richtung Grab von Maximilian und Maria ging sah ich im Pavillon einen Mann sitzen. Ungewöhnlich dachte ich mir. Selten sitzen dort Männer. Immer wieder treffe ich ältere Personen, die sich dort ausrasten oder Mütter von Sternenkindern. Ich befreite die Grabstätte vom Laub welches immer wieder vom Baum, der gleich neben und über unserem Platz ist fällt. Wie sehr ich diesen Platz doch liebe. Es ist so viel Wärme, so viel Liebe hier. Als ich die mitgebrachte Kerze anzündete fingen die Windräder wieder an sich ganz wild zu drehen. Frau Amsel war auch da und hüpfte über den Kinderfriedhof. Ich genieße diese Momente und die mir bestimmten Zeichen sehr.


Das einzige was mich dann doch ablenkte war das Schluchzen aus dem Hintergrund welches immer lauter wurde. Meinem Naturell entsprechend hab ich natürlich gehandelt und bin zu dem Mann, der cirka in meinem Alter sein müsste hin gegangen und hab gefragt ob ich mich setzen darf. Er wischte die Tränen aus den Augen als würde er sich dafür schämen. „Es ist ok“ sagte ich ihm. „Hört dieser Schmerz irgendwann auf? Wird es irgendwann wieder gut? Wie kann man so einen Verlust überleben?“ er sah mich fragend an. Diese Frage bekomme ich auch in Beratungssettings andauernd gestellt. Was soll man darauf antworten? Als Professionistin würde ich natürlich verschiedene Methoden aus der Lebens- und Sozialberatung anwenden, um zu sehen welche Ressourcen derjenige hat und wie er selbst wieder aus seinem „Sumpf“ herauskommen kann. Aber als Mutter zweier Sternenkinder bin ich immer ehrlich weil es absolut nichts bringt diese Lebensphase zu beschönigen und sagte gerade raus, wie es ist: „Nein, der Schmerz hört nie auf, aber er verändert sich. Es wird nicht wieder gut, aber es wird leichter. Man kann es überleben, aber es ist ein ganzes Stück Arbeit – tägliche Arbeit an sich selbst, mit sich selbst und mit allen Beteiligten.“ Wir tauschten uns dann noch über die traumatischen Erfahrungen, die er und seine Freundin durchlebt hatten aus und nach kurzer Zeit hatte ich das Gefühl, dass es ihm besser ging. Ich fragte ihn, ob es in Ordnung wäre, wenn ich jetzt wieder gehe, und er bedankte sich für das Gespräch. Aus dem Augenwinkel sah ich noch einen Schlüsselanhänger, der an der Säule hing. Ich bringe monatlich welche auf den Kinderfriedhof damit sich Trauernde Menschen selbst anonym welche runternehmen können. Der letzte war wie für ihn bestimmt. Das Funkeln in seinen Augen als er den Schlüsselanhänger bekam und die Anerkennung für die Menschlichkeit auch an Sonntagen einfach da zu sein und nicht weg zu schauen, wenn es jemanden nicht gut geht gaben mir neue Kraft für die bevorstehende Woche. Ich kann euch nur bitten, Menschen in solchen Situationen zu fragen, ob ihr helfen könnt. Euch vielleicht kurz dazu setzen und demjenigen ein Taschentuch anbieten ect. Es gibt so viele kleine Gesten, um zu zeigen, dass man nicht alleine ist oder allein sein muss! Wir alle brauchen irgendwann einmal einen Rettungsschirm, und nicht jeder ist stark genug um sich selbst zu retten!


Photo: Alex Mandl Model: Bernadette Kohlweis & der Rettungsschirm




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